«Das doppelte Mehr für das Rahmenabkommen ist gerechtfertigt», sagt Paul Richli.
Lieber Herr Richli, eine Frage müssen wir vorab klären: Sollten wir das anstehende Vertragswerk mit der EU in unserem Gespräch eher als «Rahmenabkommen 2.0» oder «Bilaterale III» bezeichnen?
Gut. Die Schweiz diskutiert die Frage, ob das Rahmenabkommen dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum unterstellt werden soll. Für den Laien hört sich diese Frage arg technisch an. Warum ist diese Unterscheidung so bedeutsam?
Zur Person
Prof. em. Dr. iur. Paul Richli ist ehemaliger Rektor der Universität Luzern (2010-2016). Zuvor amtete er von 2001 bis 2005 als Gründungsdekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern. Von 1978 bis 1990 besetzte er verschiedene leitende Stellen im Schweizer Bundesamt für Justiz. Richli erhielt 1974 an der Universität Bern die Doktorwürde in Rechtswissenschaften.

Zu welchem Schluss kommen Sie und warum?
Die Genehmigung des Rahmenabkommens selbst ist aber keine Verfassungsänderung – warum sollte diese Regelung dennoch zum Zuge kommen?
Moment: Inwiefern ist das Stimmrecht vom Rahmenabkommen betroffen?
«Die Stimmberechtigten würden in der Ausübung ihres Stimmrechts erheblich beschränkt.»
Gegner des doppelten Mehrs würden argumentieren, dass die EU die Schweiz auch ohne Rahmenabkommen sanktionieren kann.
Ist ein solcher Vertrag für die Schweiz rechtlich überhaupt vertretbar, wenn er es der EU erlaubt, zukünftige Generationen mit Strafen aus noch unbekannten EU-Rechtsentwicklungen zu belasten?
In einem Artikel in der NZZ haben Sie jüngst auf einen weiteren Punkt hingewiesen. Das Parlament habe das Recht, das Rahmenabkommen dem obligatorischen Referendum «sui generis» zu unterstellen. Was genau meinen sie damit?
Sie stellen also die Bedeutung des Rahmenabkommens auf eine Stufe mit dem EWR?
Das Bundesamt für Justiz ist da anderer Meinung. Liegen die Bundesjuristen falsch?
Wieso lehnt dann das Bundesamt für Justiz die Anwendung der «Sui-generis-Praxis» ab?
Wenn ich Sie richtig verstehe, ist das doppelte Mehr aber rechtlich nicht zwingend?
«Aus rein rechtlicher Sicht gibt es meines Erachtens mehr Argumente für als gegen das doppelte Mehr.»