«Ordnungspolitik ist unverzichtbar», sagen Karin Keller-Sutter und Christian Lindner.
Ein Thema, zwei Finanzminister, drei volle Hörsäle und 900 Zuhörer: Bundesrätin Karin Keller-Sutter und der deutsche Bundesminister Christian Lindner kamen am 3. November 2023 auf Einladung des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an die Universität Luzern. Dort stellten sie sich der Frage «Ist Finanzpolitik heute noch Ordnungspolitik?».
«Sie sollte es zumindest sein», lautete die Antwort von Karin Keller-Sutter. Nur so könne die Finanzpolitik die Handlungsfähigkeit des Staates sicherstellen, dessen zentrale Aufgabe es sei, für Sicherheit und Wohlstand seiner Bevölkerung zu sorgen. Das Problem in Demokratien seien die Politiker. Sie seinen immer versucht, zuerst die eigenen Wähler zufriedenzustellen – auch auf Kosten der kommenden Generation. Weil dies die Staatsschulden ansteigen lasse, brauche die Finanzpolitik klare Regeln. Den wichtigsten Beitrag leiste die Schuldenbremse, sagte die Vorsteherin des eidgenössischen Finanzdepartements:
«Sie sorgt für eine nachhaltige Finanzpolitik und damit für Stabilität. Und sie sichert zugleich die Resilienz und die Handlungsfähigkeit des Staates – gerade auch in Krisen.»
Nun hätten aber die Corona-Schulden, die steigenden Zinsen und die schwachen Wachstumsaussichten dazu geführt, dass viele eine Lockerung der Schuldenbremse fordern. Dabei sei genau das Gegenteil richtig, sagte Keller-Sutter. Gerade weil angesichts der geopolitischen Lage mit weiteren Verwerfungen gerechnet werden müsse, sei jeder Beitrag an die Verlässlichkeit und an die Stabilität der Schweiz unverzichtbar.
Als Christian Lindner an der Reihe war, beantwortet er die Frage explizit normativ: «Finanzpolitik muss Ordnungspolitik sein.» Die Staatsinterventionen auf die Corona-Pandemie hätten nicht nur viel Geld gekostet, sondern auch zu einer neuen Anspruchshaltung der Bürger dem Staat gegenüber geführt. In Deutschland fordern viele Bürger eine Inflationsentlastung. Wenn aber das Land kollektiv ärmer werde, könne es nicht Sache des Staates sein, den allgemeinen Wohlfahrtsverlust aufzufangen, sagte der Bundesminister der Finanzen. Dabei würde er seine fiskalischen Möglichkeiten überdehnen:
«Es geht vergessen, dass Wohlstand zuerst erwirtschaftet werden muss, bevor er verteilt werden kann.»
Langfristig müsse Deutschland seinen gesellschaftlichen Wohlstand neu begründen. Dazu gelte es, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. So werde die Wirtschaft in die Lage versetzt, Wohlstand zu schaffen und höhere Löhne zu bezahlen. Im Zweifelsfalle, schloss Lindner seinen Vortrag, sei er immer für Steuersenkungen – denn es sei besser, dass die Bürger selbst über ihr Geld verfügten, als dass Politiker damit Gutes tun wollten.
In der von Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger und Dr. René Scheu moderierten Publikumsdiskussion wurden Karin Keller-Sutter und Christian Lindner unter anderem gefragt, was sie als Finanzminister im anderen Land ändern würden. Zwar wollten beide ihrem Nachbarland keine politischen Ratschläge erteilen – aber Christian Lindner wünschte sich, Deutschland würde von der Schweiz nicht nur die Schuldenbremse, sondern auch den Steuerwettbewerb kopieren.