Intakte Solidarität – die frohe Weihnachtsbotschaft.

Von Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger, Direktor Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern
Worum geht es?

«Die staatliche Solidarität in der Schweiz ist tatsächlich intakt. Das Zauberwort heisst ‹Stabilität›.»
Christoph A. Schaltegger
Warum es zählt? Die Fakten.

  • Die Einkommensungleichheit in der Schweiz ist über die letzten 100 Jahre sehr stabil geblieben: Die obersten 10% der Bevölkerung vereinen recht konstant rund 30% des Gesamteinkommens auf sich, während die obersten 1% rund 10% des Gesamteinkommens erwirtschaften. Natürlich sind dies nicht stets dieselben Personen, weil die soziale Dynamik spielt. Und es zeigt: der Wohlstand in der Schweiz bleibt breit gestreut.
  • Auch im Fall des Mittelstands kann Entwarnung gegeben werden: Weder kann von einem Zerfall des Mittelstands noch von einer verstärkten Polarisierung der Ränder der Einkommensverteilung gesprochen werden («die Schere zwischen Arm und Reich»). Stattdessen gilt: der Mittelstand, in der Statistik als die Bevölkerungsgruppe zwischen 70% und 150% des medianen Bruttoäquivalenzeinkommens definiert, macht in den letzten 20 Jahren zuverlässig zwischen 55% und 60% der Gesamtbevölkerung aus.
  • Im internationalen Vergleich zeichnen sich die Schweizer Markteinkommen vor Umverteilung durch eine besonders gleichmässige Verteilung aus, während die Einkommensungleichheit nach Umverteilung im OECD-Mittelfeld liegt. Die unterdurchschnittliche Umverteilung hierzulande ergibt sich also schlicht und sinnvollweise aus dem unterdurchschnittlichen Bedarf. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern, die seit den 1980er Jahren einen Anstieg der Einkommensungleichheit verzeichnen, über dessen Ausmass allerdings in der Wissenschaft keine Einigkeit besteht, bleibt die Schweiz ein stabiler Sonderfall. Diese Stabilität steht im Zusammenhang mit einer Kombination aus einem flexiblen Arbeitsmarkt, einem starken dualen Bildungssystem und einem föderalen Steuersystem.
  • Die Vermögensungleichheit hat seit den 2000er Jahren zugenommen. Die Gründe im Anstieg der Vermögensungleichheit liegen aber eben nicht in Veränderungen der Einkommensungleichheit oder die vererbten Vermögen, wohl aber in den Buchwertsteigerungen von Wertschriften und Immobilien sowie dem Zufluss ausländischen Vermögens. Dies alles wiederum mündet jedoch nicht in einem Anstieg der Kapitaleinkommen. Der Anteil des Vermögenseinkommens am gesamten Einkommen der privaten Haushalte bleibt über die Zeit relativ konstant bei rund 10%. Damit bleibt auch die Einkommensungleichheit trotz steigender Vermögenskonzentration stabil.
  • Die obersten 10% zahlen 54,5% der gesamten Bundes-, Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuern, während rund ein Viertel aller Haushalte von der direkten Bundessteuer befreit ist. Das oberste 1% der Einkommen steuert sogar 23,2% zum Steueraufkommen bei. Seit den 1980 Jahren zeigt sich also das Gegenteil einer Entsolidarisierung beim Steueraufkommen: Die Aufkommensanteile der Spitzeneinkommen nehmen zu. Starke Schultern tragen damit weit überproportional zur Finanzierung des gemeinsamen Staats bei als schwache. Damit ergibt sich in Bezug auf die Steuereinnahmen allerdings eine zunehmende Abhängigkeit von den Top-Einkommen, was ein Klumpenrisiko darstellt – es sind die beiden Seiten derselben Medaille.
Was folgt daraus?